Trotz fast sicherer WM 2026 Quali: Sind die Fans zurecht noch skeptisch?

Die deutsche Nationalmannschaft steht sportlich kurz davor, ihre Teilnahme für die Weltmeisterschaft 2026 zu sichern. Das Ziel scheint greifbar, die Qualifikation nahezu gesichert. Trotzdem bleibt die Stimmung im Land erstaunlich verhalten. Euphorie ist kaum zu spüren, stattdessen überwiegen Zweifel, die sich nur schwer verdrängen lassen. 

Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann (L) steht neben der deutschen Fußballlegende Lothar Matthäus (2.v.l.) bei einem Interview vor dem Spiel um Platz 3 der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich in Stuttgart, Südwestdeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)
Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann (L) steht neben der deutschen Fußballlegende Lothar Matthäus (2.v.l.) bei einem Interview vor dem Spiel um Platz 3 der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich in Stuttgart, Südwestdeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)

Diese eigentümliche Mischung aus Hoffnung und Misstrauen begleitet den deutschen Fußball seit Jahren und weckt den Eindruck, dass Siege allein längst nicht mehr genügen. Vielleicht liegt es daran, dass Erfolg ohne klare Entwicklung kaum noch Vertrauen erzeugt. Die Menschen wünschen sich kein schnelles Strohfeuer, sie sehnen sich nach Dauerhaftigkeit.

Ein Hauch von Zuversicht und doch viel Skepsis 

Die Fakten sprechen eigentlich für sich. Nach einer stabilen Qualifikationsphase steht die DFB-Elf kurz vor dem Ziel und das mit soliden Siegen und einer auffällig verbesserten Defensive. Auch die Quoten der Sportwetten zur Nationalmannschaft zeigen, dass sicher mit der Teilnahme am Turnier in den USA, Kanada und Mexiko gerechnet wird. Sportlich läuft vieles nach Plan, das große Drama bleibt bislang aus. Dennoch ist die Atmosphäre gedämpft. 

Laut einer Umfrage glauben nur rund 13 Prozent der Befragten an eine echte Titelchance. Diese Zahl spiegelt die gespaltene Haltung vieler Fans wider und zeigt, dass Hoffnung zwar vorhanden ist, aber der Glaube an echten Fortschritt fehlt. Manche nehmen die positiven Ergebnisse kaum wahr, weil sie längst gelernt haben, vorsichtig zu bleiben.

Das liegt nicht an mangelndem Interesse, vielmehr hat sich eine deutliche Distanz entwickelt. Früher war jedes Länderspiel ein gesellschaftliches Ereignis, heute sorgt selbst ein überzeugender Sieg kaum für Begeisterung. Der Glanz vergangener Tage scheint verblasst und mit ihm die emotionale Bindung, die einst selbstverständlich war. 

Viele haben das Gefühl, die Nationalmannschaft sei zu einem durchgeplanten Produkt geworden, das eher nach außen glänzt, als im Inneren brennt. Das Unbehagen darüber sitzt tief und macht es schwer, wieder echte Leidenschaft zu spüren.

Dieses Fußball-Video könnte dich interessieren:

Tabelle der WM 2026 Quali Gruppe A

All
Home
Away
#
Team
B
S
U
N
Tore
GT
TD
Pkt.
1
Deutschland
N S S S
>
4
3
0
1
8
3
5
9
2
Slowakei
S S N S
>
4
3
0
1
5
2
3
9
3
Nordirland
S N S N
>
4
2
0
2
6
5
1
6
4
Luxemburg
N N N N
>
4
0
0
4
1
10
-9
0

Alte Enttäuschungen, neues Misstrauen – das Vertrauen bröckelt

Es gibt Erinnerungen, die nur schwer verblassen. Das Vorrundenaus bei der WM 2018, die enttäuschende EM 2021 und die schwache Vorstellung 2022 haben tiefe Spuren hinterlassen. Über Jahre hinweg wuchs eine Skepsis, die sich nicht durch ein gutes Spiel vertreiben lässt. Viele Beobachter sehen darin keine Überreaktion, aber vielmehr eine logische Folge aus zu vielen Enttäuschungen in zu kurzer Zeit. Der Begriff Neuanfang wurde so oft bemüht, dass er seine Wirkung verloren hat.

Deutschland ist bei der Fußball WM 2018 ausgeschieden! Müller und Gomez enttäuscht. / AFP PHOTO / Luis Acosta
Deutschland ist bei der Fußball WM 2018 ausgeschieden! Müller und Gomez enttäuscht. / AFP PHOTO / Luis Acosta

Die Fans sind vorsichtiger geworden. Zu oft schien ein Aufwärtstrend greifbar, nur um dann abrupt zu enden. Diese Erfahrung hat das Verhältnis zur Nationalmannschaft nachhaltig verändert. Vertrauen, das früher selbstverständlich war, muss heute mühsam wieder aufgebaut werden. 

Selbst bei Erfolgen bleibt ein Restzweifel, als lauere hinter jeder guten Phase schon der nächste Rückschlag. Die ständige Ungewissheit hat die emotionale Bindung geschwächt und sorgt dafür, dass selbst Siege ambivalent wirken.

Auf der Suche nach Stabilität – das funktioniert sportlich noch nicht

Sportlich wirkt vieles noch unfertig. Die DFB-Elf sucht weiterhin nach einer klaren Linie, die mehr ist als eine taktische Idee auf dem Papier. Experten wie Oliver Kahn sprechen offen darüber, dass der Mannschaft eine eindeutige Identität fehlt. Mal steht der Ballbesitz im Mittelpunkt, dann wiederum das schnelle Umschaltspiel. Doch das große Ganze bleibt schwer erkennbar. Viele Fans fragen sich, wofür das Team eigentlich steht.

Auch personell ist die Lage noch unruhig. Der Kader ist zwar talentiert, aber die Balance stimmt nicht immer. Junge Spieler wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz bringen neuen Schwung, allerdings fehlt es an klaren Führungspersönlichkeiten. Das Team wirkt in einem Spiel souverän, im nächsten unsicher. Oft reichen kleine Rückschläge, um das Gleichgewicht zu verlieren. Es scheint, als müsse sich die Mannschaft selbst erst finden, bevor sie andere überzeugen kann.

Deutschlands Mittelfeldspieler #10 Jamal Musiala während des UEFA Nations League Gruppe A3 Fußballspiels Ungarn gegen Deutschland in der Puskas Arena in Budapest, Ungarn, am 19. November 2024. (Foto: Attila KISBENEDEK / AFP)
Deutschlands Mittelfeldspieler #10 Jamal Musiala während des UEFA Nations League Gruppe A3 Fußballspiels Ungarn gegen Deutschland in der Puskas Arena in Budapest, Ungarn, am 19. November 2024. (Foto: Attila KISBENEDEK / AFP)

Das Trainerteam hat eine schwierige Aufgabe. Verschiedene Systeme werden ausprobiert, Rollen verändert, Automatismen gesucht. Diese ständige Anpassung ist Teil eines Prozesses, der allerdings schon zu lange andauert. Ohne Kontinuität bleibt jede Entwicklung Stückwerk. Erst wenn sich eine stabile Grundordnung etabliert, kann aus Talent auch echtes Vertrauen wachsen.

Hoffnung und Hürden – der schwierige Weg im Umbruch

Trotz aller Kritik gibt es Zeichen des Aufbruchs. Junge Spieler wie Musiala, Wirtz oder der von Joshua Kimmich gelobte Lennart Karl, der bald debütieren könnte, verkörpern eine neue Generation, die mutiger, spielstärker und emotionaler auftritt. Sie bringen Energie, Kreativität und Frische zurück in ein System, das lange zu statisch wirkte. Ihre Art zu spielen erinnert daran, warum Fußball Begeisterung auslösen kann.

Doch ein Neuanfang gelingt nicht über Nacht. Das Zusammenspiel zwischen Erfahrung und jugendlicher Unbekümmertheit muss sich entwickeln. Erste Fortschritte sind sichtbar, aber die Stabilität fehlt. Oliver Kahn betonte jüngst, dass die Entwicklung „noch nicht eingetreten“ sei und das ist eine nüchterne, aber ehrliche Einschätzung. Geduld wird zur Währung dieser Mannschaft und Geduld ist im modernen Fußball ein knappes Gut.

Das Potenzial ist zweifellos vorhanden, doch es muss wachsen. Automatismen entstehen nicht durch Zufall, sie erfordern Vertrauen und Zeit. Momentan gleicht das Team einem Puzzle, bei dem einige Teile noch fehlen. Doch jedes Spiel kann eines dieser fehlenden Stücke sein. Wenn die einzelnen Elemente irgendwann ineinandergreifen, entsteht vielleicht wieder das Bild, das Deutschland lange vermisst hat.

Anspruch und Wirklichkeit – wie berechtigt sind die Zweifel wirklich?

Die Skepsis vieler Fans ist verständlich, aber nicht immer gerechtfertigt. Im Vergleich zu Topnationen wie Frankreich, England oder Argentinien ist das deutsche Team keineswegs chancenlos. Es fehlt weniger an Qualität als an Beständigkeit und Selbstverständnis. In Momenten, in denen alles passt, zeigt die Mannschaft, dass sie auf Augenhöhe spielen kann. Die Frage ist, wie oft sie dieses Niveau abrufen kann.

Die Erwartungen in Deutschland bleiben hoch. Jahrzehnte voller Triumphe in den Länderspielen haben Maßstäbe gesetzt, die kaum zu erfüllen sind. Ein Achtelfinale wird als Enttäuschung empfunden, obwohl andere Länder dasselbe als Erfolg feiern würden. Erfolg ist zur Selbstverständlichkeit geworden, was die Mannschaft zusätzlich belastet. Diese Haltung treibt an, kann aber auch lähmen. Sie erzeugt Druck, der jede Schwäche sofort zu einer Grundsatzfrage macht.

Vielleicht ist der aktuelle Zweifel kein Hindernis, sondern eine Chance. Skepsis kann antreiben, sie kann Kräfte freisetzen, wenn sie richtig verstanden wird. Die deutsche Mannschaft steht am Beginn einer neuen Ära und jeder Fortschritt, so klein er auch sein mag, ist ein Schritt in Richtung Vertrauen. Die WM-Qualifikation mag fast sicher sein, aber die wahre Prüfung beginnt erst danach auf dem Weg zurück zur Leidenschaft, die den deutschen Fußball einst so besonders machte.