Bundestrainer Julian Nagelsmann hat im Rahmen eines DFB-Videos die Nominierung seines 26-köpfigen Kaders für das Final Four der Nations League erläutert. Im Fokus stehen eine klare Spielidee, mutiges Auftreten und die bewusste Mischung aus erfahrenen Spielern wie Kapitän Joshua Kimmich und Rückkehrern wie Florian Wirtz sowie neuen Impulsgebern wie Tom Bischof und Nick Woltemade.
Verzichten muss Nagelsmann auf angeschlagene Leistungsträger wie Jamal Musiala, Antonio Rüdiger und Kai Havertz. Marc-André ter Stegen wurde als klare Nummer 1 im Tor bestätigt. Ziel sei es, mit einer aktiven, risikobereiten Spielweise nicht nur sportlich zu überzeugen, sondern auch wieder Begeisterung für die Nationalmannschaft zu entfachen. Das Halbfinale gegen Portugal in München wird dabei als Schlüsselspiel betrachtet, in dem die Mannschaft zeigen soll, dass sie Titelambitionen mit kollektivem Zusammenhalt untermauern kann.
Bundestrainer Nagelsmann im Video
Das sagt Bundestrainer Nagelsmann im Video
Reporterin (Einleitung):
„Julian, mit Blick auf die Kader-Nominierung – was waren die ausschlaggebenden Punkte, die für Sie im Vordergrund standen?“
Julian Nagelsmann:
„Zunächst einmal ist es so, dass wir sehr viele Gespräche geführt haben, sowohl mit Spielern als auch mit Vereinsverantwortlichen, um den gesundheitlichen Zustand zu bewerten. Einige Spieler haben lange nicht gespielt, da muss man die Fitness richtig einschätzen. Gleichzeitig wollten wir eine Mischung – aus Spielern, die eine gewisse Konstanz mitbringen, und Spielern, die jetzt durch starke Leistungen aufgefallen sind.“
Reporterin:
„Gab es denn Härtefälle – also Spieler, bei denen es Ihnen besonders schwerfiel, sie nicht zu nominieren?“
Nagelsmann:
„Natürlich. Wir haben in Deutschland einen sehr breiten Pool an talentierten Spielern. Es ist nicht leicht, jemanden wie z. B. Musiala draußen zu lassen – aber er hat schlichtweg zu wenig gespielt. Bei Rüdiger war es ähnlich. Er ist ein Führungsspieler, keine Frage, aber wir müssen die Belastung gut steuern. Das war eine medizinisch getriebene Entscheidung.“
Reporterin:
„Und wie kam es zur Nominierung von Tom Bischof und Nick Woltemade? Zwei Namen, die viele überrascht haben dürften.“
Nagelsmann:
„Wir wollen bewusst neue Wege gehen. Beide sind hochveranlagt, haben in ihren Klubs Verantwortung übernommen. Bischof bringt enorme Spielintelligenz mit, Woltemade eine physische Komponente, die uns gegen robuste Gegner helfen kann. Es geht auch darum, Impulse zu setzen – nicht nur auf dem Platz, sondern im ganzen Mannschaftsgefüge.“
Reporterin:
„Sie sprechen von Impulsen – was erwarten Sie konkret vom Turnier? Geht es um den Titel oder steht etwas anderes im Vordergrund?“
Nagelsmann:
„Der Titel ist natürlich das Ziel, wenn man ein Turnier spielt – das ist klar. Aber mir geht es darum, dass wir ein klares Gesicht zeigen. Wir wollen als Mannschaft auftreten, mit einer gemeinsamen Idee, und mit dem Anspruch, Spiele nicht nur zu verwalten, sondern aktiv zu gestalten.“
Reporterin:
„Wie gestaltet sich aktuell die Rollenverteilung innerhalb des Kaders – haben Sie bereits einen festen Führungskreis definiert?“
Julian Nagelsmann:
„Wir haben mit Joshua Kimmich einen sehr erfahrenen Spieler, der vor seinem 100. Länderspiel steht. Er wird als Kapitän eine zentrale Rolle einnehmen. Darüber hinaus sind Spieler wie Ilkay Gündogan, Florian Wirtz oder auch Nico Schlotterbeck wichtige Ansprechpartner für das Team. Aber wir wollen keine Hierarchien aufoktroyieren – Führungsqualität zeigt sich nicht nur durch Lautstärke, sondern durch Verhalten.“
Reporterin:
„Sie sprachen im Vorfeld von einer mutigeren Spielweise – was bedeutet das konkret?“
Nagelsmann:
„Mut heißt für mich: aktives Verteidigen, hohe Ballgewinne, mit Tempo nach vorne spielen. Wir wollen Spiele dominieren, nicht reagieren. Dabei geht es auch darum, Risiko bewusst zuzulassen. Fehler gehören dazu, aber wir wollen mit einer klaren Idee auf dem Platz stehen.“
Reporterin:
„Wie sieht Ihr Plan konkret gegen Portugal aus? Immerhin wartet da ein Team mit enormer individueller Klasse.“
Nagelsmann:
„Portugal ist individuell extrem stark – mit Spielern wie Bruno Fernandes, Bernardo Silva, Rafael Leão, und ja, auch Cristiano Ronaldo, der in seinen Momenten immer noch ein Spiel entscheiden kann. Sie sind in der Lage, unterschiedlich zu agieren – mal mit viel Ballbesitz, mal aus dem Umschaltspiel heraus. Wir müssen sehr wach sein, die Räume eng halten und vor allem mit Ball klare Lösungen finden. Es wird kein Spiel, in dem man abwartet – das wäre fatal.“
Reporterin:
„Welche Rolle spielt die Unterstützung der Fans in München – ist der Heimvorteil ein echter Faktor?“
Nagelsmann:
„Absolut. Wir haben in München ein Heimspiel, das ist ein Bonus. Aber den müssen wir uns verdienen. Wenn wir mutig und entschlossen auftreten, wird uns das Publikum tragen. Wenn wir passiv sind, werden wir nervös – das gilt es zu vermeiden. Ich sehe es als große Chance, ein internationales Turnier zu Hause mit einem Statement zu beginnen.“
Reporterin:
„Marc-André ter Stegen wurde als Nummer 1 bestätigt. War das eine einfache Entscheidung für Sie?“
Julian Nagelsmann:
„Es war eine klare Entscheidung. Marc hat sich in den letzten Jahren sehr konstant gezeigt, spielt bei Barcelona auf Topniveau. Er hat eine enorme Präsenz, Ruhe am Ball, gute Strafraumbeherrschung – und das Vertrauen der Mannschaft. Wir haben auch mit den anderen Torhütern gesprochen, mit Oliver Baumann, mit Alex Nübel – alle kennen ihre Rolle. Es herrscht ein sehr professioneller Umgang untereinander.“
Reporterin:
„Welche Bedeutung hat der Wiedereinstieg von Florian Wirtz ins Team?“
Nagelsmann:
„Florian ist ein Schlüsselspieler für uns. Er bringt eine kreative Note ein, kann enge Räume lösen, hat ein gutes Timing im letzten Drittel. Man hat in Leverkusen gesehen, wie wichtig er für das gesamte Spielgefüge ist. Bei uns wird er – sofern er gesund bleibt – eine zentrale Rolle spielen.“
Reporterin:
„Es gibt Stimmen, die sagen, dass der Kader zu viele neue Namen enthält und damit das Risiko eines Bruchs im Gefüge besteht. Wie sehen Sie das?“
Nagelsmann:
„Ich verstehe diese Sichtweise. Aber wir brauchen beides – Kontinuität und Impulse. Wenn man immer dieselben Spieler nimmt, stagniert man irgendwann. Wir haben bewusst Spieler wie Anton, Nmecha oder auch Bisseck zurückgeholt, weil sie sich entwickelt haben. Und dann junge Spieler wie Bischof und Woltemade dazunehmen – das ist keine Spielerei. Das ist Teil eines Prozesses.“
Reporterin:
„Letzte Frage: Was würden Sie als Erfolg werten – nur das Weiterkommen oder zählt nur der Titel?“
Nagelsmann:
„Ich denke in Etappen. Erst mal zählt das Halbfinale gegen Portugal. Wenn wir das gewinnen, haben wir ein Finale – und da zählt dann sowieso nur noch der Sieg. Aber generell: Wir wollen ein positives Signal setzen, nicht nur sportlich, sondern auch emotional. Das Land wieder hinter die Nationalmannschaft bringen. Wenn das gelingt – und wir dabei erfolgreich Fußball spielen – ist das ein großer Schritt.“