Inhaltsverzeichnis - das findest du hier
Philipp Lahm, ehemaliger Weltmeister und Kapitän der DFB-Elf, meldet sich mit klaren Worten zum Zustand des deutschen Frauenfußballs zu Wort. In seiner Kolumne für die „Zeit“ mahnt er Investitionen, strukturelle Reformen und eine konsequentere Nachwuchsförderung an. Lahm sieht akuten Handlungsbedarf – nicht nur aus sportlicher Sicht, sondern auch aus gesellschaftlicher Verantwortung.

Der EM-Auftritt: Kampfgeist ja, spielerische Klasse woanders
Das deutsche Team schaffte es bei der Europameisterschaft bis ins Halbfinale, wo es an Spanien scheiterte. Trotz starker Defensivleistung und großer Mentalität mangelte es an spielerischer Durchschlagskraft. Lahm erkennt zwar eine intakte Teamstruktur, aber hebt hervor: „Die herausragenden Spielerinnen kommen inzwischen woanders her.“ Der internationale Vergleich zeigt: Länder wie Spanien und England setzen konsequent auf Talentförderung und moderne Spielansätze – mit sichtbarem Erfolg.
Lehren aus der Männerhistorie: Tugenden reichen nicht mehr
Lahm zieht eine Parallele zur Entwicklung des Männerfußballs: Zwischen 1980 und 1990 gewann Deutschland EM- und WM-Titel, getragen von klassischen Tugenden wie Einsatz, Disziplin und Wille. Doch diese reichten irgendwann nicht mehr, was zu einer umfassenden Nachwuchsreform führte. Das Ergebnis war die „goldene Generation“ um Götze, Kroos und Müller, die 2014 Weltmeister wurde. Ein vergleichbarer Umbruch sei nun im Frauenbereich notwendig – nicht nur als sportliche Reaktion, sondern als strategische Notwendigkeit.
Lahms Kritik am System: Warum profitieren fast nur Jungen?
Besonders deutlich wird Lahm beim Thema Nachwuchsarbeit. Er kritisiert, dass in den Leistungszentren fast ausschließlich Jungen intensiv gefördert würden. Dabei sei Deutschland finanziell und infrastrukturell gut aufgestellt, um auch im Frauenbereich Spitzenbedingungen zu schaffen. „Ein reiches Land wie Deutschland sollte seine Ressourcen gleichmäßig verteilen“, schreibt Lahm – und verweist auf den neuen Ausrüster-Deal des DFB mit Nike, der finanzielle Spielräume eröffne.
Europäische Konkurrenz enteilt: Athletik, Technik, Tempo
Lahm beobachtet, dass andere Nationen längst weiter seien. Spielerinnen seien dort athletischer, technisch stärker und taktisch besser geschult. Das Finale zwischen England und Spanien sei ein Beleg dafür, wie hoch das Niveau inzwischen sei. Für Lahm ist klar: Frauenfußball hat den Status eines Volkssports erreicht. Jetzt sei der ideale Zeitpunkt, in Strukturen, Ausbildung und Sichtbarkeit zu investieren – bevor der Abstand zur internationalen Spitze endgültig zu groß wird.
