WM-Qualifikation
5 Lehren für Julian Nagelsmann aus den Spielen gegen Luxemburg und Nordirland

Nach dem Sieg gegen Nordirland steht fest, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre Ausgangslage in der WM-Quali deutlich verbessert hat. Zwei Siege ohne Gegentor klingen nach einer souveränen Leistung, auch wenn die Gegner nur Luxemburg und Nordirland hießen. Gegen die Nordiren hatte man zuvor schließlich zuletzt einen Gegentreffer kassiert.

Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann umarmt Deutschlands Verteidiger Nr. 15 Nico Schlotterbeck nach dem Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2026 in Gruppe A zwischen Nordirland und Deutschland im Windsor Park Stadion in Belfast am 13. Oktober 2025. (Foto: Paul Faith / AFP)
Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann umarmt Deutschlands Verteidiger Nr. 15 Nico Schlotterbeck nach dem Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2026 in Gruppe A zwischen Nordirland und Deutschland im Windsor Park Stadion in Belfast am 13. Oktober 2025. (Foto: Paul Faith / AFP)

Und doch bleiben Fragen. Julian Nagelsmanns Nationalelf hat gegen krasse Außenseiter zwar die Pflicht erfüllt, aber noch längst nicht die Kür erreicht. Was auf dem Papier souverän aussieht, offenbarte auf dem Rasen viele Details, die zeigen, wie schmal der Grat zwischen Kontrolle und Kreativität ist. 

Wer genau hinsah, konnte fünf Lehren erkennen, die Nagelsmann mit in die kommenden Monate und auch in das Entscheidungsspiel gegen die Slowakei nehmen dürfte.

#1: Ein echter Mittelstürmer bleibt unverzichtbar

Das Offensivspiel der deutschen Mannschaft war gegen Luxemburg und Nordirland solide, doch selten sprühte es vor Wucht. Wer in seinen Sportwetten auf hohe Handicaps gesetzt hatte, dürfte gegen Luxemburg gezittert und gegen Nordirland enttäuscht worden sein. 

Der Blick aufs Re-Live gegen Nordirland zeigt: Es gab viel Ballbesitz, einige schicke Kombinationen, aber wenig Durchschlagskraft. Bis Nick Woltemade sein erstes Länderspieltor erzielte. Der Shootingstar der Premier League ließ sich feiern und sollte das goldene Tor des Tages schießen.

Doch der Treffer hat nicht nur drei Punkte, sondern auch Zuversicht gebracht. Seit Jahren sucht Deutschland nach einem Mittelstürmer, der mehr ist als nur ein Wandspieler. Einer, der Bälle festmacht, Räume zieht, Gegner bindet und im richtigen Moment instinktiv abschließt. 

Dieses Fußball-Video könnte dich interessieren:

Woltemade zeigte genau das. Nagelsmann dürfte erkannt haben, dass ein echter Neuner nicht das System beschränkt, sondern es befreit. Er ist der Fixpunkt, um den sich die Kreativen drehen können. Gerade in Spielen gegen tiefstehende Gegner wie Luxemburg wird deutlich, dass selbst das schönste Passspiel wirkungslos bleibt, wenn im Strafraum niemand lauert, der das Chaos sucht. Woltemade erinnerte daran, dass Tore oft aus Instinkt entstehen.

Der deutsche Stürmer Nr. 11 Nick Woltemade (Mitte) jubelt nach dem ersten Tor seiner Mannschaft während des Qualifikationsspiels zur Fußball-Weltmeisterschaft 2026 in der Gruppe A zwischen Nordirland und Deutschland im Windsor Park Stadion in Belfast am 13. Oktober 2025. (Foto: Paul Faith / AFP)
Der deutsche Stürmer Nr. 11 Nick Woltemade (Mitte) jubelt nach dem ersten Tor seiner Mannschaft während des Qualifikationsspiels zur Fußball-Weltmeisterschaft 2026 in der Gruppe A zwischen Nordirland und Deutschland im Windsor Park Stadion in Belfast am 13. Oktober 2025. (Foto: Paul Faith / AFP)

#2: Geschlossenheit ist wichtiger als Talent gegen kleine Gegner

Wer auf dem Papier überragt, muss auf dem Platz doppelt so viel arbeiten. Das klingt banal, wird aber im Länderspielalltag schnell vergessen. Gegen Luxemburg wirkte das DFB-Team in den ersten Momenten zwar direkt spielbestimmend, aber nicht entschlossen. Der Ball lief, doch die Überzeugung fehlte. 

Erst als die Mannschaft kollektiv anzog, wurde aus Ballbesitz auch Torgefahr. In Minute 12 belohnte sich das Team dann dafür und etwa 8 Minuten später war das Spiel bereits entschieden. Man müsse “alles in Relation sehen”, hatte Goretzka im Anschluss gesagt.

Wenn Spieler glauben, kleine Gegner spielerisch schon irgendwie zu knacken, entsteht ein gefährlicher Schlendrian. Nagelsmann hat mehrfach betont, dass Länderspiele kein Selbstläufer sind. Ohne Geschlossenheit und Gier nützt auch das feinste System wenig.

Das Erfolgsrezept war letztlich simpel: Gemeinsames Pressing, gegenseitige Absicherung, Laufbereitschaft trotz hoher Führung bis in die Schlussminuten. Kein Raum für Eitelkeit, kein Platz für Starallüren. Es ist diese Haltung, die Deutschland nach turbulenten Jahren wieder braucht.

#3: Stabilität beginnt in der Defensive

Es mag paradox klingen, aber das Bemerkenswerteste an diesen Spielen war, was nicht passierte. Es gab keine Gegentore, was Nagelsmann freuen dürfte. Die Innenverteidigung stand kompakter, die Abstände im Mittelfeld passten. Besonders Oliver Baumann agierte unaufgeregt, aber aufmerksam und wirkte wie ein Anker in einer Mannschaft, die lange nach Sicherheit suchte.

Der deutsche Torwart Nr. 01 Oliver Baumann reagiert während des Fußballspiels der ersten Runde der Qualifikationsrunde zur Weltmeisterschaft 2026 in der Gruppe A der Europa-Zone zwischen der Slowakei und Deutschland am 4. September 2025 in Bratislava. (Foto: Joe Klamar / AFP)
Der deutsche Torwart Nr. 01 Oliver Baumann reagiert während des Fußballspiels der ersten Runde der Qualifikationsrunde zur Weltmeisterschaft 2026 in der Gruppe A der Europa-Zone zwischen der Slowakei und Deutschland am 4. September 2025 in Bratislava. (Foto: Joe Klamar / AFP)

Defensivarbeit ist oft der unsichtbare Teil des Erfolgs. Wenn die Absicherung stimmt, wächst das Vertrauen der Offensive. Es gab weniger Hektik, weniger Fehlpässe im Aufbau, dafür mehr Kontrolle. Gerade im Spiel gegen Nordirland, das über weite Strecken wenig Spektakel bot, zeigte sich, dass Stabilität nicht langweilig ist, sondern Grundlage für alles, was danach kommt.

Nagelsmanns Teams waren in der Vergangenheit oft offensiv brillant, aber defensiv anfällig. Nun scheint er verstanden zu haben, dass Nachhaltigkeit über Absicherung entsteht. Es ist kein Zufall, dass auch die Sechser disziplinierter agierten und weniger ins Risiko gingen. Deutschland verteidigte als Einheit, auch wenn manch einer erwartet hätte, dass man die Gegner locker vom Platz fegt.

#4: Kritik wird bleiben, aber Nagelsmann kann sie produktiv nutzen

Es gibt kaum eine Position im deutschen Fußball, die so schnell hinterfragt wird wie die des Bundestrainers. Zwei Siege und doch meckert die Nation. Manchen war es zu wenig Tempo, zu viele Querpässe, Kimmich zu zentral, Wirtz zu blass. Die Stimmen nach den Spielen gegen Luxemburg und Nordirland zeigten, dass Erfolg allein nicht genügt, um Ruhe zu schaffen.

Nagelsmann hat Erfahrung im Umgang mit Druck, aber die Nationalmannschaft ist ein anderes Biotop. Hier wird jedes Detail seziert, jede Aufstellung diskutiert, jede Aussage interpretiert. Seine Gelassenheit in Interviews nach den Spielen wirkte daher wohltuend. Kein Trotz, kein Verteidigungsmodus, sondern eine nüchterne Analyse. Er sprach davon, dass die Mannschaft noch nicht am Limit sei, und das war keine Floskel, sondern ein realistischer Blick auf den Prozess.

Wichtig ist, dass er die Kritik nicht als Angriff versteht, sondern als Resonanzraum. Medien und Fans spiegeln Erwartungen wider, und wer sie klug nutzt, kann daraus Motivation schöpfen. Nagelsmann muss seine Linie finden. Nur so kann aus konstruktiver Kritik tatsächlicher Fortschritt werden.

DFB Pressekonferenz mit Bundestrainer Nagelsmann: Konzentration statt Kantersieg
DFB Pressekonferenz mit Bundestrainer Nagelsmann: Konzentration statt Kantersieg

#5: Kleine Schritte führen zum Ziel – schon im nächsten Spiel?

Wer nach Wundern sucht, wird im Fußball enttäuscht. Erfolg wächst selten aus einem Moment, sondern aus Wiederholung, Anpassung und Vertrauen. Die beiden Siege in der WM-Qualifikation waren keine Galaauftritte, aber sie zeigen Richtung. Deutschland steht stabiler, spielt strukturierter und hat gelernt, unspektakuläre Siege zu akzeptieren.

Gerade in der öffentlichen Wahrnehmung zählt oft der Glanz. Doch wer an nachhaltigen Erfolg denkt, weiß: Konstanz schlägt Spektakel. Die Spieler wirken eingespielter, die Abläufe flüssiger, die Kommunikation auf dem Platz ruhiger. Das ist das Ergebnis von Arbeit, die man nicht immer auf den ersten Blick sieht.

Nagelsmann steht damit vor einer wichtigen Phase. Die Mannschaft braucht keinen neuen Umbruch, sie braucht Geduld. Systeme müssen reifen, Automatismen wachsen, und Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Diese beiden Spiele waren ein kleiner Schritt in diese Richtung. 

Der nächste Gegner ist noch einmal Luxemburg. Hier wäre alles andere als ein Sieg eine Enttäuschung, aber die Fans müssen lernen, dass ein 5:0 auch nicht viel wertvoller ist als ein 2:0. Im letzten Spiel gegen die Slowakei kann die Nationalmannschaft schließlich unter Beweis stellen, ob sie seit der peinlichen Auftaktniederlage gereift ist.