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Carlo Ancelotti wird der erste ausländische Cheftrainer der brasilianischen Nationalmannschaft – mit dem klaren Ziel, den sechsten WM-Titel nach Rio zu holen. Doch der Start ist holprig: Politische Machtspiele, strukturelle Probleme im Verband und hohe Erwartungen warten auf den Italiener.

Rückkehr in die USA – mit anderen Vorzeichen
Ancelotti kennt das WM-Finale in den USA aus schmerzlicher Erinnerung. 1994 erlebte er als Co-Trainer Italiens den Elfmeter-Fehlschuss von Roberto Baggio – und den Titelgewinn Brasiliens hautnah. 32 Jahre später soll er dieselbe Bühne betreten, diesmal auf der Seite der Sieger. Die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko ist für die Selecao eine Art Mission: Seit dem letzten Titelgewinn 2002 wartet der fußballverrückte Staat auf den „Hexa“, die sechste Krone.
Romario, einer der Helden von 1994, begrüßte die Verpflichtung des Italieners euphorisch: „Finalmente!“ Der inzwischen 59-Jährige glaubt an einen Umbruch durch Ancelotti. Auch Ronaldo, Topscorer der WM 2002, sieht im aktuellen Kader großes Potenzial – nennt jedoch die wahren Probleme beim Namen: „Wir haben Top-Spieler wie Vinicius Junior und Raphinha, aber der Verband hat ein Führungsproblem, das sich auf die Mannschaft auswirkt.“
CBF unter Druck – und mittendrin Ancelotti
Die Berufung des 65-jährigen Erfolgstrainers kommt zu einem brisanten Zeitpunkt. Der brasilianische Fußballverband CBF steckt in einer tiefen Führungskrise. Präsident Ednaldo Rodrigues wurde unter zweifelhaften Umständen wiedergewählt – gegen ihn läuft ein Gerichtsverfahren, das seine Legitimität infrage stellt. Pikant: Laut brasilianischen Medien soll Ancelotti sogar eine Kanzlei beauftragt haben, die Entwicklungen zu überwachen.
Dass die Verkündung seiner Verpflichtung ausgerechnet wenige Stunden vor einer entscheidenden Anhörung erfolgte – und ohne Beteiligung von Real Madrid oder Ancelotti selbst – wirft Fragen auf. Um 10.53 Uhr brasilianischer Zeit bestätigte die CBF die Einigung offiziell. Die Webseite war kurz darauf überlastet – nicht nur wegen des Ansturms, sondern auch wegen der Symbolkraft dieses Wechsels.
Rekordtrainer trifft auf Rekordland
Carlo Ancelotti bringt eine beeindruckende Bilanz mit: Fünf Champions-League-Titel, nationale Meisterschaften in allen fünf großen Ligen Europas – darunter auch die Bundesliga mit dem FC Bayern 2017. Nun soll er diese Liste mit dem wohl prestigeträchtigsten Titel im Weltfußball vollenden. Dafür erhält er bis zur WM zehn Millionen Euro Gehalt, bei einem Titelgewinn kommen fünf weitere Millionen obendrauf.
Den neuen Job hat Ancelotti längst aufgenommen. Ein erstes Telefonat mit Neymar ist geführt, Casemiro steht vor dem Comeback. Am 2. Juni soll er erstmals im gelben Trikot der Selecao auf dem Trainingsplatz stehen. Für seinen Aufenthalt in Brasilien ist er bestens ausgestattet – mit Luxus-Apartment, gepanzertem Dienstwagen und eigenem Privatjet.
Große Ambitionen, schwierige Ausgangslage
Ancelotti übernimmt eine Mannschaft mit Topspielern, aber auch mit viel Ballast. Die Heim-WM 2014 endete im Debakel gegen Deutschland, bei den letzten beiden Weltmeisterschaften war jeweils im Viertelfinale Schluss. Der neue Trainer soll nicht nur sportlich aufräumen, sondern auch ein zerstrittenes System stabilisieren. Der Druck ist hoch – aber Ancelotti ist einer, der in solchen Momenten oft liefert.
