UEFA Nations League 2025
Verspielt, verpasst, versagt? Deutschlands Lehren aus der Nations League 2025

Nach dem EM-Sommer 2024 galt die deutsche Nationalmannschaft als wiedererstarkt, hungrig und bereit, sich international neu zu positionieren. Das Finalturnier der Nations League 2025 sollte als Fortsetzung dieser Entwicklung dienen – mit dem Heimvorteil in München und Stuttgart als zusätzlichem Pfund. Doch stattdessen lieferte die DFB-Elf zwei enttäuschende Vorstellungen ab, die Fragen nach der Substanz und Richtung des Teams aufwerfen.

Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann (L) steht neben der deutschen Fußballlegende Lothar Matthäus (2.v.l.) bei einem Interview vor dem Spiel um Platz 3 der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich in Stuttgart, Südwestdeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)
Deutschlands Cheftrainer Julian Nagelsmann (L) steht neben der deutschen Fußballlegende Lothar Matthäus (2.v.l.) bei einem Interview vor dem Spiel um Platz 3 der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich in Stuttgart, Südwestdeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)

Das enttäuschende Abschneiden beim Final Four

Deutschlands Ansprüche waren hoch. Nach dem überzeugenden EM-Auftritt und den optimistischen Testspielen galten Julian Nagelsmanns Männer neben Spanien als Favorit auf den Titel. Experten und Fans glaubten an die Heimstärke, die Stadien waren ausverkauft, das Vertrauen in das Potenzial groß. Auch die besten Wettanbieter ohne OASIS im Vergleich hatten die DFB-Elf weit oben auf dem Zettel – das Heimrecht und ein scheinbar eingespielter Kader machten Hoffnung auf mehr. Während Spanien seine Rolle erfüllte und ins Finale einzog, scheiterte Deutschland hingegen doppelt – und das mit beunruhigender Deutlichkeit. Besonders unter Wettfreunden machte sich Ernüchterung breit, denn mit Platz vier blieb die Mannschaft klar unter ihren Möglichkeiten.

UEFA Nations League
4.6.2025
- 21:00
Deutschland
1 2
Portugal
UEFA Nations League
8.6.2025
- 15:00
Deutschland
0 2
Frankreich

Im Halbfinale gegen Portugal begann alles vielversprechend: Florian Wirtz brachte Deutschland in Führung, das Spiel schien unter Kontrolle. Doch die Defensive bröckelte früh, der Gegner drehte das Spiel auf 2:1. Einer der wenigen Lichtblicke war Marc-André ter Stegen, der mit mehreren Glanzparaden Schlimmeres verhinderte.

Auch im kleinen Finale gegen Frankreich zeigte der Torhüter eine überragende Leistung mit sieben Paraden – doch wieder stand am Ende eine Niederlage, diesmal 0:2. Trotz deutlich verbesserter Offensive und einem xG-Wert von 2,55 blieb die Chancenverwertung mangelhaft. Drei Großchancen – kein Tor. Zu wenig für eine Mannschaft mit Titelambitionen.

Portugals Stürmer (Nr. 07) Cristiano Ronaldo küsst den Ball nach seinem Treffer zum 2:2-Ausgleich während des Endspiels der UEFA Nations League zwischen Portugal und Spanien in München, Süddeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: John MACDOUGALL / AFP)
Portugals Stürmer (Nr. 07) Cristiano Ronaldo küsst den Ball nach seinem Treffer zum 2:2-Ausgleich während des Endspiels der UEFA Nations League zwischen Portugal und Spanien in München, Süddeutschland, am 8. Juni 2025. (Foto: John MACDOUGALL / AFP)

Verdient gescheitert – und personell zu schmal aufgestellt

Deutschland stand am Ende des Turniers da, wo es spielerisch hingehörte: auf dem letzten Platz. Die Leistungen offenbarten in allen Mannschaftsteilen spürbare Defizite. Ohne Abwehrchef Rüdiger fehlte in der Defensive die Stabilität, seine Ersatzleute wirkten überfordert. Jonathan Tah fiel insbesondere gegen Portugal negativ auf, die schnellen Angriffe der Gegner brachten die deutsche Abwehr regelmäßig in Bedrängnis.

Im Mittelfeld setzte sich das Problem fort – die Suche nach einem verlässlichen Sechserduo blieb auch in diesem Turnier erfolglos. Und im Angriff? Dort versuchte sich mit Nick Woltemade ein Neuling, der engagiert, aber glücklos agierte. Die Außenpositionen blieben erneut blass. Nur ein Treffer in zwei Spielen – und der war hauchdünn kein Abseits – ist eine Bilanz, die die Realität schmerzhaft offenlegt. Die Konkurrenz zeigte sich kaltschnäuziger und effektiver.

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Noch gravierender aber: Die Breite des deutschen Kaders hielt dem Druck nicht stand. Bereits nach dem ersten Spiel wurde deutlich, wie sehr die Mannschaft auf ihre Topspieler angewiesen ist. Ohne Havertz, Musiala, Rüdiger und andere fehlten Qualität und Durchschlagskraft. Frankreich konnte mit Olise und Doué frische Klasse bringen – Nagelsmann musste auf Kehrer und Gnabry zurückgreifen, beide aktuell weit entfernt von internationaler Topform. Die zweite Reihe der DFB-Elf wirkt nicht konkurrenzfähig, die Zahl der verlässlichen Alternativen ist gering. Das macht Mut für einen Schnitt, aber auch Sorgen im Hinblick auf die WM-Qualifikation. Die Lücke zwischen Stamm und Bank ist zu groß – und war im Nations-League-Finalturnier unübersehbar.

Die deutsche Mannschaft stellt sich vor dem Spiel um den dritten Platz der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich am 8. Juni 2025 in Stuttgart für ein Mannschaftsfoto auf. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)
Die deutsche Mannschaft stellt sich vor dem Spiel um den dritten Platz der UEFA Nations League zwischen Deutschland und Frankreich am 8. Juni 2025 in Stuttgart für ein Mannschaftsfoto auf. (Foto: THOMAS KIENZLE / AFP)

Warum das Scheitern nicht gleich ein Desaster ist

Zwischen dem stimmungsvollen Halbfinale in München und dem trostlosen Spiel um Platz drei in Stuttgart lag mehr als nur ein sportlicher Rückschlag – die emotionale Fallhöhe war gewaltig. Nagelsmann hatte die Nations League bewusst zum Gradmesser für die WM-Ambitionen erklärt. Was als mutige Kampfansage gedacht war, wirkte nach dem Doppel-Aus wie eine krachende Selbstüberschätzung. Der Trainer wollte zeigen, dass Deutschland mit Frankreich, Spanien und Portugal mithalten kann – doch der Schuss ging nach hinten los. Die Zuschauer verloren spürbar das Interesse, der Rückenwind der EM war plötzlich verpufft. Die Mannschaft konnte den Erwartungen nicht gerecht werden – auch, weil sie durch die eigene Kommunikation zu hoch geschraubt wurden.

Und doch: Wer jetzt von einem neuerlichen Absturz spricht, liegt daneben. Vieles, was während der EM als Fortschritt gewertet wurde, gilt weiterhin. Die Mannschaft hat in der Wahrnehmung mehr Selbstvertrauen entwickelt – auch wenn sie sich intern wohl für stärker hält, als sie es aktuell ist. Das Nations-League-Aus wirkt wie ein nüchterner Realitätscheck. Eine gesunde Rückstufung der Erwartungen könnte sich als langfristig heilsam erweisen – sowohl für die Mannschaft als auch für die Fans. Deutschland ist derzeit kein Topfavorit auf den WM-Titel, aber eben auch kein chancenloser Außenseiter.

Zwei bittere Niederlagen, viele offene Fragen – aber auch eine Chance, die richtigen Schlüsse zu ziehen.